Impuls vom 18.11.2022

Mut zu Entscheidungen und zum Unterscheiden

Beim Ad-limina-Besuch haben die deutschen Bischöfe am 17. November 2022 die Heilige Messe in der römischen Patriarchalbasilika Sankt Paul vor den Mauern gefeiert, jenem Ort, wo das Grab des Apostels Paulus verehrt wird.
In seiner Predigt fragte Kardinal Reinhard Marx (München und Freising) warum so wenig über das Leben des Paulus in Rom bekannt sei. Sein Nachwirken durch die Zeit jedoch bleibe: „An der Gestalt des Paulus können wir einen eindrucksvollen Wandel erkennen: vom hochgebildeten und vom konservativen Gesetzeslehrer zum Wanderprediger und dann zum Verkünder Jesu Christi. Paulus wird zum Zeugen für die Wahrheit. Immer wieder wird er an sein Damaskusereignis erinnert, das für ihn zum zentralen Motiv für sein Wirken werden sollte: Christus zu verkünden, den er einst verfolgt hat“, so Kardinal Marx.

Paulus sei als gläubiger Jude überzeugt gewesen, dass sich mit Christus erfülle, was in der Thora angedeutet sei: Die Vollendung. Paulus, so Kardinal Marx, sehe das nicht als Bruch mit der jüdischen Tradition, sondern „gewissermaßen als Vollendung und Beginn von etwas Neuem, von Aufbruch und Verheißung.“

Um diesen Aufbruch gehe es auch für die Kirche der Gegenwart, betonte Kardinal Marx. „In diesen Tagen des Ad-limina-Besuchs in Rom haben wir an vielen Stellen – auch mit dem Papst – diskutiert, wie es mit dem Volk Gottes und der Kirche weitergeht, welche Neuaufbrüche gewagt werden müssen und was wir an Vergangenem hinter uns lassen.“ Es dürfe keinen Bruch mit der Vergangenheit geben, sagte Kardinal Marx. „Im Gegenteil: Wir müssen den Mut haben, im Licht der Tradition etwas Neues zu beginnen und den Schatz von früher mitzunehmen. Vor allem aber müssen wir nach vorne schauen.“

Kardinal Marx erinnerte an die Reisen des Apostels, die dessen Horizont wesentlich geweitet hätten. Paulus sei an Orte gekommen, wo es den christlichen Glauben schon gegeben hätte oder er ihn gründen konnte. „Die Botschaft des Paulus ist klar: Herr ist Jesus Christus. Das war im Römischen Reich eine Provokation. Aber Paulus hat sie mit Mut vertreten. Dieser Apostel hat alle für die neue Botschaft eingeladen, er hat keine Grenzen gesetzt, für ihn war jede und jeder willkommen, der oder die diesem Christus folgen will. Man kann sagen, dass Paulus revolutionäres Potential hatte und dass er inklusiv dachte: Das Christusereignis gehört der ganzen Welt.“ So zeige Paulus, dass das Reich Gottes angebrochen, aber noch nicht vollendet sei. Das, so Kardinal Marx, sei auch wesentlich für die Kirche heute, die ihre Verkündigung auf den Menschen ausrichten und präsentisch sein müsse. „Christus ist für Paulus die Offenbarung schlechthin. Er, dieser Christus, ist die Aufklärung. Wenn jemand zu Christus kommt, erfährt er Erkenntnis und sieht was los ist: in der Welt und in der Heiligen Schrift.“

Kardinal Marx fügte hinzu, dass das ein Erkenntnis für die Kirche sein könne: „Ich denke, wir sollten diese Erfahrung des Paulus mitnehmen, wenn wir darüber reden, wie es mit der Kirche und dem Volk Gottes weitergeht. Wir sind ins Zentrum hineingestellt, in das Christusereignis. Rücken wir den Auferstandenen als Mitte in unser Leben und feiern und bekennen ihn neu. Dazu ist die Kirche da“, so Kardinal Marx. Er fügte hinzu: „Die Kirche ist mitten drin in der Welt und in der Zeitenwende. Wir laufen nicht anachronistisch neben der Zeit her. Wir brauchen den Mut zu Entscheidungen und zum Unterscheiden, damit wir die Zeit der Gnade nicht verpassen. Darum beten wir Bischöfe mit dem ganzen Volk Gottes, dass wir den Moment der Gnade sehen, erkennen und begreifen.“

Quelle: www.dbk.de