Impuls vom 18.02.2022
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Brief von Kardinal Marx an die Gläubigen im Erzbistum München und Freising
In vier Wochen finden die Pfarrgemeinderatswahlen statt, mitten in einer Zeit, die uns alle im Erzbistum aufgewühlt hat. Es sind stürmische Wochen der Diskussionen, der Wut, des Zweifels, der Enttäuschungen. In vielen Pfarreien, Familien und Gruppen ist das Gutachten über den sexuellen Missbrauch durch Kleriker und kirchliche Mitarbeiter in unserem Erzbistum diskutiert worden. Nach dem ersten Gutachten im Jahr 2010 in unserem Erzbistum und nach der breiten MHG-Studie im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz von 2018 über sexuellen Missbrauch, ist das nun noch einmal ein Blick auf eine dunkle Seite der Vergangenheit und auch der Gegenwart der Kirche, die viele Menschen verstört und auch empört. Besonders die Betroffenen und auch Pfarreien, in denen Missbrauchstaten geschehen sind, wurden dadurch erneut konfrontiert mit diesem Leid. Auf die Betroffenen richten wir unser erstes Augenmerk.
Gerade weil wir das Leid der Betroffenen sehen und sie bestmöglich unterstützen wollen und weil wir auch in der Prävention nicht nachlassen werden, will unser Erzbistum diese Aufklärung und weicht ihr nicht aus. Das habe ich sehr deutlich gemacht und daran halten wir weiter fest. Gleichzeitig können wir festhalten, dass es seit dem Jahr 2010 schon viele Veränderungen durch die Aufarbeitung und intensive Befassung gibt und viele Zeichen des Aufbruchs gesetzt sind. Wir arbeiten konsequent daran zusammen mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir gehen den Weg der Erneuerung und der Veränderung konsequent weiter. Bitte vertrauen Sie mir und auch den vielen an meiner Seite, die daran mitwirken, sowie auch all den Priestern und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Treue und Verlässlichkeit ihren Dienst für die Verkündigung des Evangeliums tun. Unser Auftrag, die Botschaft Christi zu bezeugen, geht weiter.
Auch die 3. Vollversammlung des Synodalen Weges Anfang Februar hat mich ermutigt, in dieser Perspektive weiterzugehen. Wir sind auf einem guten, aber natürlich nicht einfachen Weg. Und deshalb ist es wichtig, dass wir weiter miteinander gehen. Wir alle sind mitverantwortlich, dass das Evangelium weiter gelebt und verkündet wird.
Ich möchte alle, die darüber nachdenken, die Kirche zu verlassen, ermutigen, weiter mitzutun: Wir und ich brauchen auch die kritischen Geister, die Zweifelnden und Suchenden. Es wird keine Zukunft des Christentums in unserem Land geben ohne eine erneuerte Kirche. Dafür wollen wir uns miteinander engagieren. Und dafür danke ich allen, die sich einbringen in den Pfarreien, die mithelfen in den Gottesdiensten, in der Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die Sakramente, im Pfarrgemeinderat und in der Kirchenverwaltung, in der Arbeit der Caritas, in Bildungseinrichtungen, in der Jugendarbeit, in der Sorge um die Kranken und Schwachen. Danke!
Für mich ist eines ganz entscheidend: Das Projekt des Jesus aus Nazareth ist größer als wir und größer als die Kirche. Und an diesem Projekt werde ich weiter mitarbeiten; auch für die kommenden Generationen. Und darum bitte ich auch Sie alle und danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihr Glaubenszeugnis.