Impuls vom 30.11.2024
Adventskranz
Wenn in diesen Tagen viele Wohnungen mit einem Adventskranz geschmückt werden, will man damit oft nur eine heimelige Atmosphäre schaffen. Wir können aber viel mehr in ihm sehen: eine Ergänzung zu den Bibeltexten, Gebeten und Liedern, die uns im Advent auf Weihnachten vorbereiten wollen. Das entspricht auch seiner ursprünglichen Bedeutung.
Den ersten Adventskranz hing der evangelische Pastor Johann Hinrich Wichern im Jahr 1839 in seinem Haus für obdachlose Kinder und Jugendliche in einem Hamburger Elendsviertel auf. Auf einen Holzreifen stellte er vier große Kerzen für die Sonntage vor Weihnachten und 20 kleine Kerzen für die Wochentage. Jeden Morgen hielt er mit der jungen Hausgemeinschaft eine Andacht, bei der jeweils eine weitere Kerze angezündet wurde, bis an Heiligabend alle Kerzen leuchteten. Bald schmückten die jungen Leute den Holzreifen mit Tannengrün, ab 1900 ersetzte man ihn durch einen geflochtenen Kranz aus (meistens) Tannenzweigen, steckte vier Kerzen für die vier Adventswochen darauf, und so verbreitete sich dieser Brauch konfessionsübergreifend im ganzen deutschen Sprachraum.
Für die, die ihn aufmerksam betrachten, spricht der Adventskranz eine eigene, stille Sprache. Als Erstes beachten wir wohl das Grün: Das Grün der Natur erinnert uns an Leben. Grün stimmt uns optimistisch, weckt Hoffnung. Bei den Tannen- oder Fichtenzweigen des Adventskranzes ist es eher dunkel, ernst. Aber winterfest, immergrün, während das helle Grün der Wiesen und Laubwälder die Kälte nicht überdauert. So spiegelt es unser Verlangen nach beständiger Lebendigkeit.
Auf Dauerhaftigkeit weist auch das Rund des Kranzes hin. Dieser Radform kann unser Blick immer wieder folgen wie in einer endlosen Kreisbewegung. Darum steht der Kreis für Ewigkeit und Treue. Und schließlich leuchten da die Kerzen mit ihrem Licht. Licht erhellt nicht nur unsere Räume, sondern auch unsere Stimmung, unser Lebensgefühl, während uns dunkle Wintertage bedrücken. Licht – ein Symbol für Glück. Der Schein von Kerzen wirkt auch traulich. Er lässt die Dinge des Umfelds im Halbdunkel, nichts lenkt uns ab oder bedrängt uns – eine Einladung zum Hineinhören in uns und letztlich zum inneren Frieden.
Diese Sehnsucht nach beständiger Lebendigkeit, nach ewigem Leben in Glück und innerem Frieden können wir letztlich nicht selbst erfüllen. Doch dürfen wir alles von dem erhoffen, der dank seiner Menschwerdung für uns immer mehr „Licht der Welt, Licht des Lebens“ (Joh 8,12) werden will.
Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit.
Bernhard Grom SJ, München
(Ignatianische NachbarschaftsHIlfe)