Bericht/Chronik vom 24.05.2024

Gedenken an Dammbruch vor 25 Jahren - „Wir haben neu leben gelernt“

Msgr. Johannes Hofmann erinnert an die Dammbruch-Katastrophe vor 25 Jahren

Auf dem Weg zur Eichreis-Kapelle in Wöhr kamen vielen Menschen ganz persönliche Erinnerungen, was sie am 24. Mai 1999 erlebt hatten. Sie folgten der Einladung der Pfarrei St. Laurentius und der Christlichen Bauernbruderschaft zum Gedenken an die damalige Hochwasserkatastrophe.

„Wir beginnen die ökumenische Andacht heuer bereits an dieser Kapelle, die beim Hochwasser auch in Mitleidenschaft gezogen wurde und somit ein Symbol für die damaligen Ereignisse ist“ begrüßte Pfarrer Thomas Stummer neben dem damaligen Pfarrer Msgr. Johannes Hofmann, den ev. Pfarrer Dr. Michael Murrmann-Kahl, den stellvertretenden Dekan Uwe Biedermann, ersten Bürgermeister Thomas Memmel und einige Stadträte.

Angeführt von einer Bläsergruppe der Stadtkapelle Neustadt, einer Fahnenabordnung der Christlichen Bauernbruderschaft Neustadt und des Frauenbundes Neustadt machten sich rund 90 Teilnehmer auf dem 1,2 km langen Weg zum Gedenkstein an der Dammbruchstelle.

Während sie im „Schatten“ des Dammes betend marschierten, dort wo das Wasser so hoch stand, dass vielleicht noch die Fahnenspitzen der beiden Vereine rausgeragt hätten, dürften bei den Betroffenen ganz unterschiedliche Gedanken an die Wochen und Monate im Jahre 1999 „durch den Kopf gegangen sein“.

Wie ein gewöhnliches Marterl steht der Stein mit einem Kreuz an der Dammkrone, unzählige Radfahrer fahren täglich ahnungslos vorbei. Mit einer Gedenktafel auf der dem Damm abgewandten Seite hält die Christliche Bauernbruderschaft die Erinnerung an den „folgenschweren Donaudammbruch am Pfingstmontag, den 24. Mai 1999“ wach.

Die Gebete der ökumenischen Andacht wurden abwechselnd von Pfarrer Thomas Stummer, Pfarrer Dr. Michael Murrmann-Kahl und Gemeindereferentin Maria Ganslmeier vorgetragen.

„Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Die Flurprozession war am Tag zuvor schon abgesagt worden. Es waren nur noch wenige Leute im Gottesdienst. Die Wassermassen ergossen sich über Wöhr, das Schwaigfeld und die Bad Gögginger Straße. Fast eine Woche stand das Wasser, dann ging der Wiederaufbau los, der Wochen, Monate und Jahre dauerte.“ schilderte Msgr. Johannes Hofmann seine persönlichen Eindrücke.

Er berichtete von wirklicher Verzweiflung, Tränen der Hilflosigkeit, stumme Schreie, weil man nicht mehr „weder ein noch aus wusste“; Unvergessen ist für ihn eine Frau, die mit einem Boot aus ihrem Haus in Wöhr gerettet wurde, nur mit einer Plastiktüte in der Hand, aus Verzweiflung ihren Kopf an eine Hauswand geschlagen hat.“

„Wir kommen zusammen, nicht um uns zu quälen, um Wunden aufzureißen, sondern um nicht zu vergessen und um zu erinnern. Menschen haben einander neu kennen gelernt bei den zahlreichen gemeinschaftlichen Hilfsaktionen wie z.B. Verteilung der Putzmittel im Pfarrheim, in der Hochwasser-Kleiderkammer, im Hochwasser-Café oder in der Küche des Altenheims, das zum Logistikzentrum für Versorgung mit Essen wurde. “

Für Hofmann steht fest „Wir haben neu leben gelernt. Aus dem Zorn, der Wut, der Enttäuschung und der Sprachlosigkeit der ersten Wochen wuchs behutsam wieder das Miteinander.“ Das gilt es, auch nach 25 Jahren nicht zu vergessen.

„Wieso tun wir uns das an und treffen uns nach 25 Jahren noch immer hier?“ fragte der stellvertretende Dekan Uwe Biedermann.

Es ist keine „routinierte Wiederholung“, sondern eine wichtige Tradition, „die in die Zukunft führt.“ Durch die unglaubliche Hilfsbereitschaft und den tiefen Zusammenhalt der Menschen kamen sie sich einander näher, wurden getröstet in der größten Not. In unserer Gegenwart ist es wichtiger den je zu erinnern, wie heilsam es ist, trotz äußerer Katastrophen zuversichtlich am Leben festzuhalten. Wo unsere Erinnerung an die eigene Geschichte verblasst, wo unsere Gesänge verstummen, da versinkt das Leben in Zufälligkeit und Beliebigkeit, und diese Flut ist noch viel schlimmer. Darum ist es unser aller Aufgabe, unsere Hoffnungsgeschichten an die nächste Generation weiterzugeben. Das ist der tiefste Grund, warum wir die Andacht hier feiern. Wir tun es nicht nur für uns.“

Nach dem gemeinsamen Segen der katholischen und evangelischen Seelsorger und dem Lied „Großer Gott wir loben dich.“ machten sich die Teilnehmer in der untergehenden Abendsonne zu Fuß zurück auf dem Weg zur Eichreiskapelle.

Eingestellt von: Josef Kastl